die endlichkeit des seins

gestern nachmittag hatte ich das bedürfnis h. zu schreiben. ich wollte fragen, wie es ihr mit der bestrahlung am kopf geht und ob sie schon zuhause ist. für eine minisekunde überlegte ich, ob es eine gute idee ist… was wenn sie sagt es geht ihr nicht gut. das man nichts mehr tun kann… ich wollte abends noch essen gehen mit freunden. mit einem kloß im hals wäre das nur bedingt unbeschwert. aber das bedürfnis war größer. kurz nach meiner nachricht hat sie angerufen. da war ich schon mit dem auto unterwegs. dann rief eine fremde nummer einige male an. als ich am parkplatz stand hatte ich nochmal eine nachricht von h. sie war von ihrer schwester. bereits vor knapp 2 wochen hat h. den kampf verloren…

ich weiß noch als sie mir sagte sie sei in der klinik, ihr kopf wird bestrahlt und sie hätte angst. das war der moment, als auch ich das erste mal richtig angst bekam. angst um mein leben. (hab darüber bereits am 23.6. berichtet)

wenn man selbst krebs hatte (und ich sag das ganz bewusst ‚hatte‘), dann ist man sehr sensibilisiert dafür, wenn in den nachrichten wieder ein prominenter zeitgenosse sein leben an den krebsarsch verliert. das trifft einen durchaus und man wird sich bewusst wie scheiß viele menschen das sind und da gehört die dunkelziffer in der nachbarschaft noch gar nicht dazu. und es trifft mich, obwohl ich sie nicht mal kenne. ebenso geht es mir, wenn ich in den sozialen gruppen von rückfällen höre, oder dass eine weitere mutige kriegerin ihr leben verlor. ich hab mich gefragt, wann es bei mir soweit sein wird, dass eine mitkriegerin geht die ich persönlich kenne… nun leider schneller als gedacht. und um ehrlich zu sein… es sind gar nicht viele frauen die ich persönlich kenne. klar, es sind viele mit denen man sich in sozialen netzwerken austauscht. teilweise auf der ganzen welt. das ist durchaus ein schönes gefühl wenn man weiß, man ist nicht allein. aber auch echt beschissen, weil man weiß wieviele um ihr leben kämpfen… und irgendwann doch verlieren könnten.

die nachricht von h. hat mich sehr getroffen… saßen wir doch meist nebeneinander. und das ein ganzes halbes jahr. wir haben viel gelacht, über viel gesprochen. auch über den tod  und sie war realistisch. bekam sie ihre chemo doch wegen metastasen. als sie mir kurz vor meiner op erzählte, dass sie einen blackout hatte… war mein gefühl mehr schlecht als recht. meine befürchtung wurde durch die tatsache, dass sie tumore an der hirnhaut hat, bestätigt. und da war sie… meine erste todesangsterfahrung.

das ist das, wovor wir alle angst haben. sowohl patientin als auch familie. ein trost… sind sie im kopf, meist gehts dann ganz schnell. (das heißt nicht, dass sie in dieser situation immer gleich ein todesurteil sind!) klingt arschig? find ich nicht! ein langer weg mit medikamenten, hoffen, warten und bangen … und vermutlich auch leiden bleibt sowohl der patientin, als auch der familie und den freunden erspart. und das ist genau die situation vor der sich jeder fürchtet. niemand möchte einen geliebten menschen leiden sehen. niemand der leidet möchte, dass die familie durch das eigene leid mitleidet. mehr zeit zum anschied nehmen ist immer eine feine sache. aber hat man je genug? hat man sich je genug verabschiedet? hat man je noch all das erlebt was man möchte? hat man je all das gesagt was man möchte? ich denke nein und empfinde es als relativ, denn wichtig ist, wer an deiner seite ist. unwichtig eigentlich wie lange. ich hab das glück, dass ich kurativ behandelt werden konnte. vermutlich sieht man vieles anders wenn man in der palliativ situation steckt. ich vertraue auf den lieben gott, dass ich das weiterhin nur vermuten darf. das klingt naiv oder schön geredet? vielleicht, aber es nimmt mir ein wenig die angst vor der statistik. und das ist gut so!

》liebe h. ich habe mich sehr gefreut, dass ich dich kennenlernen durfte. deine offene art nahm mir ganz schnell den chemokloß im hals und ich habe es genossen, wenn wir den chemoraum mit lachen füllten. und ich find es sehr schade, dass wir uns nach der chemo nicht nochmal sehen konnten. wo immer es dich nun hinverschlagen hat liebe h., genieße das sein!《

6 Gedanken zu „die endlichkeit des seins

  1. Vale47 sagt:

    Schreiben tut wirklich gut, weil Du für Deine gefühlt Worte findest und Dich mit dem Thema auseinandersetzt, anstatt alles runterzuschlucken und auszublenden. Für mich ist Schreiben wie eine Therapie. Vielleicht habe ich deswegen ja das Schreiben als Beruf gewählt. 😉 Ich lese gerade ein Buch zu dem Thema, das mich sehr berührt, mir aber auch viel Mut macht. Vielleicht ist es ja auch was für Dich. Es heißt: „Jung.Schön.Krebs“.

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