als alex dem tod in die eier trat…

…hat er ganze arbeit geleistet! 

alex erkrankt mitte 2015 zum ersten mal an hodenkrebs. nach einer erfolgreichen op folgt sogleich die entlassung in die nachsorge. wie er im nachhinein feststellt, hakt er das thema krebs aber mehr oder weniger erstmal ab. ohne sich richtig damit auseinandergesetzt zu haben. 

er genießt sein leben, während er seine selbstständigkeit plant. dann aber kommt der krebs nach 2 jahren zurück. jetzt ist es eine eher selten vorkommende knochenmetastase im oberarm. der tumor frisst bereits seinen knochen auf. für einen so sport liebenden jungen mann, der dazu auch noch im endspurt zur planung seines neuen beruflichen traumes ist, ein schock. diese zeit ist verbunden mit viel schmerzen durch den tumor. hadern. zweifeln. 

aber jetzt setzt sich alex mit dem krebs auseinander. anstatt ihn als fremdkörper zu sehen, akzeptiert er ihn nun als ein teil von sich. der aber natürlich gerne wieder verschwinden darf. dabei nimmt er uns mit auf seine reise. seine erfahrungen mit krankenhäusern. ärzten. zweitmeinungen. von seiner erstdiagnose, die er sehr sportlich nahm, bis hin zu seiner wiedererkrankung und deren bewältigung. dieses mal schenkt er dem krebs seine volle aufmerksamkeit. er teilt erfahrungen mit komplementärmedizin. achtsamkeit und meditation. er nimmt uns mit auf den weg zurück zu sich selbst.

im buch blendet er immer wieder seine vergangenheit ein. seine kindheit ohne leiblichen vater. sein reges berufsleben. seine reisen. bis hin zum jetzt. mit der diagnose kommt das bedürfnis der vatersuche. und ich finde es wunderbar, dass er sein, wie er es nennt, “fehlendes puzzlestück” mit dem treffen seines leiblichen vaters findet. und auch das begleiten und verabschieden seines großvaters und damit die auseinandersetzung mit dem letzten endes unausweichlichen tod eines jeden lebens, scheint heilsam. denn dadurch akzeptiert er den kreislauf des lebens und er beginnt seine erfolgreiche therapie. 

alex und ich kennen uns vom bloggen und führen, bis auf unsere krebserkrankung in 2015, ein sehr unterschiedliches leben. es ist für mich interessant die erfahrung mit dem krebs aus der sicht eines mannes zu lesen. denn denn großteil an erfahrungen erlebe ich nur von anderen patientinnen. die sicht auf den krebs, wie wir beide ihn wahrnehmen und akzeptieren, was er mit uns gemacht hat und wie wir das leben nun sehen, ist allerdings sehr ähnlich. und bei vielen aussagen saß ich zustimmend lächelnd vor dem buch. wir beide lieben es „die magie des augenblicks zu spüren und zu erkennen“. und wir beide akzeptieren, dass wir einfach pech hatten. shit happens. 

als ich dem tod in die eier trat” ist ein wunderbares buch. ehrlich und auf den punkt. empfehlenswert, sowohl für patientinnen und patienten die am anfang ihrer diagnose stehen, als auch für angehörige. oder jene, die einfach nur ein gutes buch über einen offenen und bemerkenswerten mann lesen wollen. wir erfahren alles über die diagnose hodenkrebs. die metastasierung und die therapie. aber vor allem von seinem leben und seinen gefühlen. alex nimmt kein blatt mehr vor den mund und bricht damit auch das leidige tabu rund um den krebs.

„Als ich dem Tod in die Eier trat“
erschienen im Kremayr & Scheriau Verlg
(photo credit @alexander.m.greiner)

die sache mit der dankbarkeit…

… da sitz ich nun. gesund. denn im juni war ja meine sehr unauffällige onkologische nachsorge und im juli meine ebenso unauffällige gynäkologische.

vor 3 jahren war ich im endspurt meiner therapie. der bestrahlung. das fühlt sich an, als wäre es eine ewigkeit her. und mit diesem gefühl überkommt mich manchmal die angst, dass ich vergesse genügend dankbar zu sein. also bewusst.

ganz am anfang bin ich mit dem gedanken ‚ich hab krebs‘ zu bett gegangen und mit dem selben gedanken aufgewacht. dazu kam die dankbarkeit. mit jedem zu bett gehen. mit jedem aufwachen. dankbar, dass der krebs früh erkannt wurde. dankbar, dass ich die chemo so geschmeidig durchgestanden habe. dankbar, dass ich eine komplettremission hatte. dankbar, dass ich eine komplikationsfreie op hatte. dankbar, dass ich die bestrahlung ohne probleme geschafft hab. unglaublich dankbar, dass ich das erste jahr nach therapieende ohne rückfall ‚überlebt‘ habe. dazu kam die dankbarkeit über das zweite jahr. dazu noch, dass ich kaum unter spätfolgen leide. und die dankbarkeit, dass ich in ein paar tagen an der 3-jahres-marke nach therapieende ohne rückfall kratze. alle mit einem triple negativen brustkrebs wissen, dass das die welt bedeutet. und ein hoffentlich langes leben. ja, ich bin unfassbar dankbar. und ganz oft erschrecke ich, weil die bewusste dankbarkeit in den hintergrund rückt. wie der krebs. was natürlich toll ist. da der raum den die krankheit einnimmt immer kleiner wird. zwar ist sie allgegenwärtig, aber extrem zurückhaltend.

doch manchmal hab ich angst, ich wäre zu wenig bewusst dankbar. es überkommt mich dann ganz plötzlich. und ich hoffe inständig, dass ich es nicht vermassel. irgendwie doof oder? doch es entsteht immer mehr ein alles einnehmender alltag. das leben rauscht wieder an einem vorbei. und während ich zu meiner nicht arbeitenden zeit, genügend raum für bewusste dankbarkeit hatte, bin ich heute manchmal schon froh, wenn ich bewusst zeit für mich habe. ohne das gefühl, dass mir die zeit davon rennt bzw. an mir vorbei.

ich glaube, tief in mir drin bin ich dankbar. jeden tag. ganz unbewusst in ganz vielen augenblicken. in momenten die gar nicht aufregend sind. aber bedeutend. zumindest für mich. und dann muss ich ganz oft lächlen. ich zähl das einfach mal zu der dankbarkeit hinzu. und bevor uns jetzt das wort dankbarkeit aus den ohren quillt, verabschiede ich mich ganz still und leise in mein wochenende.