die sache mit der dankbarkeit…

… da sitz ich nun. gesund. denn im juni war ja meine sehr unauffällige onkologische nachsorge und im juli meine ebenso unauffällige gynäkologische.

vor 3 jahren war ich im endspurt meiner therapie. der bestrahlung. das fühlt sich an, als wäre es eine ewigkeit her. und mit diesem gefühl überkommt mich manchmal die angst, dass ich vergesse genügend dankbar zu sein. also bewusst.

ganz am anfang bin ich mit dem gedanken ‚ich hab krebs‘ zu bett gegangen und mit dem selben gedanken aufgewacht. dazu kam die dankbarkeit. mit jedem zu bett gehen. mit jedem aufwachen. dankbar, dass der krebs früh erkannt wurde. dankbar, dass ich die chemo so geschmeidig durchgestanden habe. dankbar, dass ich eine komplettremission hatte. dankbar, dass ich eine komplikationsfreie op hatte. dankbar, dass ich die bestrahlung ohne probleme geschafft hab. unglaublich dankbar, dass ich das erste jahr nach therapieende ohne rückfall ‚überlebt‘ habe. dazu kam die dankbarkeit über das zweite jahr. dazu noch, dass ich kaum unter spätfolgen leide. und die dankbarkeit, dass ich in ein paar tagen an der 3-jahres-marke nach therapieende ohne rückfall kratze. alle mit einem triple negativen brustkrebs wissen, dass das die welt bedeutet. und ein hoffentlich langes leben. ja, ich bin unfassbar dankbar. und ganz oft erschrecke ich, weil die bewusste dankbarkeit in den hintergrund rückt. wie der krebs. was natürlich toll ist. da der raum den die krankheit einnimmt immer kleiner wird. zwar ist sie allgegenwärtig, aber extrem zurückhaltend.

doch manchmal hab ich angst, ich wäre zu wenig bewusst dankbar. es überkommt mich dann ganz plötzlich. und ich hoffe inständig, dass ich es nicht vermassel. irgendwie doof oder? doch es entsteht immer mehr ein alles einnehmender alltag. das leben rauscht wieder an einem vorbei. und während ich zu meiner nicht arbeitenden zeit, genügend raum für bewusste dankbarkeit hatte, bin ich heute manchmal schon froh, wenn ich bewusst zeit für mich habe. ohne das gefühl, dass mir die zeit davon rennt bzw. an mir vorbei.

ich glaube, tief in mir drin bin ich dankbar. jeden tag. ganz unbewusst in ganz vielen augenblicken. in momenten die gar nicht aufregend sind. aber bedeutend. zumindest für mich. und dann muss ich ganz oft lächlen. ich zähl das einfach mal zu der dankbarkeit hinzu. und bevor uns jetzt das wort dankbarkeit aus den ohren quillt, verabschiede ich mich ganz still und leise in mein wochenende.

3-year-survior

das bin ich. heute. ein 3-year-survivor.

heute vor 3 jahren saß ich um diese zeit zuhause. mit meinem behandlungsordner auf dem schoss. latent realitätsfremd durchblätternd. wartend das mein mann heimkommt. um ihm weinend zu sagen, dass ich brustkrebs hab. das war mein 21. oktober 2015. ein mittwoch.

ein tag, den ich nie vergessen werde. aber den ich irgendwie verdränge. denn denke ich daran, ist alles so präsent, dass ich brechen könnte. unabhängig davon, wie gut es mir heute geht und ich gesund bin. die gefühle sind so impulsiv, dass mir schlecht wird.

ABER, ich bin hier. gesund. glücklich. unglaublich dankbar. und meine letzte nachsorge vor 1 woche war wieder unauffällig. blutbild, leber-sono, lymph-sono, brust-sono und mammographie. alles unauffällig. für eine triple negative ist das sensationell. die ersten 2-3 jahre sind statistisch am gefährlichsten für einen rückfall. meine onko meinte, ich könnte mich ein bisschen entspannen. noch nicht ganz. aber ein bisschen. und wenn meine übervorsichtige onko das sagt, will das was heißen. und so entspann ich mich. so sehr, dass mir vor erleichterung beim nach hause fahren die tränen kamen. die ganze anspannung fiel ab. im gegensatz zur letzten nachsorge war ich nämlich sehr angespannt. die jahresgrenze ist doch immer wieder besonders.

so, ich genieße jetzt erstmal den herbst  🙂

überlebt… 

… hab ich mein erstes jahr nach therapieende. am dienstag war mein thorax ct und heute von der onko abgesegnet, den befund ohne befund bestätigt bekommen! das heißt, ich hab das erste kritische jahr ohne rückfall überlebt. diese offizielle info am 9. november zu bekommen ist irgendwie cool. heute vor zwei jahren bekam ich meine erste chemo EC. eine von 4. die erste von insgesamt 16. der anfang von 9 monaten therapie. um diese zeit saß ich wie ein häufchen auf meiner couch. ohne jeden schimmer was die kommenden tage und dann monate auf mich zu kommen würde. und eigentlich ist es gar nicht lange her… grad mal so lange wie der tüv rhythmus… 24 monate… vergangen wie im flug. alles scheint so weit weg. manchmal unwirklich, dass es jemals so war. und doch irgendwie allgegenwärtig.

ihr merkt… ich dreh mich im kreis… weil mir verdammt noch mal gar nicht mehr dazu einfällt. außer das ich unfassbar dankbar bin, dass das jahr ein jahr ohne krebs war. ich sehe es mal als auftakt für ein wundertolles leben ohne krebs. 

der groschen fällt… jetzt erst

welcher groschen? DER groschen. der ICH-BIN-NOCH-AM-LEBEN-GROSCHEN. ich vermute das hängt mit dem sich jähren der diagnose zusammen. letztes jahr um diese zeit gabs für viele dinge ein erstes mal. über die man gar keine zeit hatte nach zu denken. erstes staging. erste op. erste chemo. erste nebenwirkungen. erstes fieber. erste spritze gegen fieber. erster haarverlust. erstes und (ich gehe fest davon aus) das letzte weihnachten mit glatze. gerade jetzt fühlt sich alles sehr präsent an. normalerweise schwirrt diese erfahrung meilenweit in einer seifenblase weit hinter meinereiner her. aber nicht zur zeit. ich erinnere mich z.b. an den geschmack der spritze, die ich am ende der chemo zur portspülung bekommen habe. ich erinnere mich an die schwachheit in meinen gliedern. an den schwindel. ich erinnere mich an mein abscheuliches bauchgefühl nach der chemo. und das ist neu, erst jetzt empfinde ich es als abscheulich. manchmal wird mir regelrecht flau im magen, wenn meine gedanken durch die erinnerung spazieren. und vorallem gerade jetzt gibt es so unglaublich viele momente in denen ich dankbar bin, dass der krebs meinen körper wieder verlassen hat. ich habe dann bewusst das gefühl die zeit vergeht langsamer. besonders in momenten mit meiner nichte. wenn sie vor mir sitzt und über meine wange streichelt und mit haarewuscheln feststellt, dass meine haare immer länger werden. oder wenn der kleine neffe in meinen armen einschläft und die zeit stehen bleibt. genau dann wird mir unfassbar bewusst wie schief es gehen hätte können. und da kommt der groschen ins spiel. er fällt. in letzter zeit oft ganz laut. und mir wird bewusst wie dankbar ich bin, noch hier zu sein. wie dankbar ich bin, dass meine nichte mir durch die haare wuscheln kann. dankbar, dass mein neffe in meinen armen einschlafen kann. und in stillen momenten, wenn ich in der natur bin, die ruhe und die vollkommenheit wahrnehme, kommen sie. die tränen. tränen der dankbarkeit. tränen der erleichterung. tränen weil mir bewusst wird, dass es keine seifenblase war sondern echt. das erste mal seit dem diagnosegespräch. auch jetzt, während ich das schreibe. ist man im behandlungsmarathon, lebt man wie in einem uhrwerk. vielleicht habe ich mich so auf meinen weg aus dem krebs konzentriert, dass ich für tränen keine zeit hatte. denn ganz schnell werden die behandlungen irgendwie selbstverständlich und zum alltag. eine station folgt der nächsten. bis mit der reha und der wiedereingliederung ins arbeitsleben mehr als ein jahr ausnahmezustand zu ende geht. da blieb mir nicht viel zeit, und irgendwie auch keine gelegenheit, mir darüber bewusst zu werden, dem tod von der schippe gesprungen zu sein. erst letztens hab ich gelesen, dass man sich wohl ab diagnose als krebsüberlebende bezeichnen darf. das habe ich geschafft. äußerlich nimmt keiner wahr was für ein glück ich hatte. aber auch wie sehr es mich verändert hat. aufgrund dessen, da die äußerlichen spuren verschwinden, kann ich derzeit ganz schlecht mit dem kompliment > du siehst aber gut aus < umgehen. oder die aussage, wie toll es doch ist, dass bald das arbeiten wieder losgeht und das alte leben zurück kommt. das alte leben kommt nie mehr zurück. es ist jetzt ein neues. eines in das ich nun nach diesem jahr passe. und um ehrlich zu sein, in diesem wache ich eigentlich fast jeden tag mit dem gedanken krebs auf und gehe damit ins bett. ob ich will oder nicht, ist der gedanke auf eine bestimmte art und weise allgegenwärtig. das darf man nicht falsch verstehen, denn er ist nicht mit negativen gefühlen gehaftet. aber es führt unweigerlich dazu, dass man das leben aus einem anderen blickwinkel betrachtet. derzeit etwas mehr als weniger. ich weiß, ich kann mich unheimlich glücklich schätzen, dass das nun alles hinter mir liegt. und das ist wohl auch ein grund, weshalb ich mich unglaublich auf weihnachten freue. vom weihnachten ohne haare und mit krebs zum weihnachten mit haare und ohne krebs. das fühlt sich großartig an!